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Mehrbedarf

 

Mehrbedarfszuschläge für Schwangere, Alleinerziehende, berufstätige Behinderte
Zuschläge für kostenaufwendige Ernährung  – eine Übersicht

Die Höhe des Zuschlages errechnet sich jeweils als Prozentanteil der Regelleistung der jeweiligen Person; er beträgt

bei Schwangerschaft ab der 13. Woche 17%
für Alleinerziehende mit

einem bis drei Kindern unter 7 Jahren

36%

einem Kind über 7 Jahren

12%

zwei Kindern unter 16 Jahren

36%

zwei Kindern über 16 Jahren

24%

ein Kind über 7 Jahren & 1 Kind über 16 Jahren

24%

drei Kindern

36%

vier Kindern

48%

ab fünf Kindern

60%
für Behinderte mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 35 %

Bei Zuschlägen für aufwändige Ernährung arbeitet die Bundesagentur mit festen Beträgen. Sie betragen bei

Colitis ulcerosa, Vollkost

25,56 Euro;

Diabetes mellitus Typ I, Vollkost

25,56 Euro;

Diabetes mellitus Typ I, konventionelle Insulintherapie, Diabeteskost

51,13 Euro;

Diabetes mellitus Typ II a, Diabeteskost

51,13 Euro;

Diabetes mellitus Typ II b, Diabetes-Reduktionskost

0 Euro *;

HIV-Infektion / AIDS, Vollkost

25,56 Euro;

Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfettwerte), Lipidsenkende Kost

35,79 Euro;

Hyperlipidämie bei Adipositas, Lipidsenkende Reduktionskost

0 Euro *;

Hypertonie, Natriumdefinierte Kost

25,56 Euro;

Hypertonie bei Adipositas, Natriumdefinierte Reduktionskost

0 Euro *;

Hyperurikämie, Purinreduzierte Kost

30,68 Euro;

Hyperurikämie / Gicht bei Adipositas, Purinreduzierte Reduktionskost

0 Euro *;

Krebs (bösartiger Tumor), Vollkost

25,56 Euro;

Leberinsuffizienz, Eiweißdefinierte Kost

30,68 Euro;

Morbus Crohn, Vollkost

25,56 Euro;

Multiple Sklerose, Vollkost

25,56 Euro;

Neurodermitis, Vollkost

25,56 Euro;

Niereninsuffienz, Eiweißdefinierte Kost

30,68 Euro;

Niereninsuffienz mit Hämodialysebehandlung, Dialysediät

61,36 Euro;

Ulcus duodeni Geschwür im Zwölffingerdarm) / Ulcus ventriculi (Magengeschwür), Vollkost

25,56 Euro;

Zöliakie / Sprue, Glutenfreie Kost

66,47 Euro;

Bei Adipositas (Fettleibigkeit) soll grundsätzlich kein Zuschlag bewilligt werden, da dieser aus aktuellen medizinischen Kenntnissen nicht herleitbar sei.

 

Quelle: "Dienstliche Hinweise der Bundesagentur zu § 21 SGB II", die BA folgt darin den Empfehlungen des "Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge"

Kostenaufwendige Ernährung kostet einfach mehr

Niedersächsische Gerichte stoppen Sozialhilfe-Kürzungen für Kranke

Kranke, Behinderte oder von Krankheit bzw. von Behinderung bedrohte Personen bekommen nach § 23 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eine Zulage „in angemessener Höhe“ zum Sozialhilfe-Regelsatz, falls sie nach ärztlichem Gutachten eine besondere und teure Ernährung benötigen. Doch diese Krankenkostzulage wurde im Jahr 2000 in einer Stellungnahme einer Arbeitsgruppe von Ärzten und Ärztinnen aus kommunalen Gesundheitsämtern als größtenteils überflüssig und unberechtigt angegriffen. Darauf gestützt wollen viele Sozialämter mittlerweile nur noch im Ausnahmefall eine Zulage für Sozialhilfebeziehende mit wenigen, besonders schweren Krankheiten anerkennen. Doch mehrere Entscheidungen niedersächsischer Verwaltungsgerichte bestätigen: Diese Kürzungen sind nicht durch das BSHG gedeckt. Sozialhilfebezieherinnen, die an der Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus Typ1 und Typ 2a, oder an verschiedenen anderen (vor allem Stoffwechsel-) Krankheiten leiden, haben weiter Anspruch auf eine Krankenkostzulage.

Für welche Krankheitsbilder ein Mehrbedarf bewilligt wird, und wie hoch die Pauschale für diese Krankenkostzulage sein soll, darüber befindet seit langem der „Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge“ (im folgenden nur noch „Deutscher Verein“ genannt). Der „Deutsche Verein“ ist ein Zusammenschluss kommunaler Interessenvertreterinnen aus dem Sozialbereich mit Vertreterinnen von Wohlfahrtsverbänden, u.ä. Nach den Empfehlungen der Experten dieses Vereins, die dazu medizinische und ernährungswissenschaftliche Literatur heranziehen, sollen die Sozialämter beispielsweise Personen mit erhöhtem Wert an Blutfetten, die eine spezielle cholesterinarme Kost benötigen, 35,79 Euro; Zulage zum allgemeinen Sozialhilfe-Regelsatz zahlen. Bei Alterszucker (Diabetes mellitus, Typ 2a) empfiehlt der „Deutsche Verein“ dagegen einen Mehrbedarfszuschlag von 51,13 Euro; und für Patienten mit Neurodermitis z.B. eine Zulage von 25,56 Euro; (s. auch Tabelle).

An den Empfehlungen des „Deutschen Vereins“ orientieren sich normalerweise auch die Sozialämter und die Rechtsprechung. In Zeiten der starken Umverteilung von unten nach oben rücken daher auch solche Empfehlungen verstärkt in das Blickfeld kommunaler Interessenvertreterinnen. Im Jahr 1997 entdeckten die Experten des „Deutschen Vereins“ so wundersamer Weise, dass die Vollkost, welche z.B. Krebskranke und an Multipler Sklerose Erkrankte benötigen, gegenüber den Vorjahren plötzlich billiger geworden war. Statt über 100 DM hielten sie somit nur noch 50 DM an Mehrkosten für die betroffenen Krebs- und MS-Kranken gegenüber der Ernährung Gesunder für notwendig.

Schmalkost und Linsengericht

Nach Auffassung kommunaler Kürzungsprofis berücksichtigt diese 1997 vom „Deutschen Verein“ entwickelte Schmalkost für eine Reihe von Krankenkostzulagen jedoch offenbar noch immer nicht ausreichend die Revolutionierung medizinischer Erkenntnisse im Bereich der Diätkosten in den letzten Jahren. Denn, wie eine Arbeitsgruppe von ärztlichen Bediensteten kommunaler Gesundheitsämter in einem Gutachten (im folgenden: "Begutachtungsleitfaden") für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe herausgefunden hat , habe die Ernährung bei einer Reihe von Krankheiten keine wissenschaftlich nachweisbaren Auswirkungen: Z.B. bei Krebserkrankungen oder bei Neurodermitis. Frühere, anders lautende Erkenntnisse seien nach Ansicht der amtsärztlichen Leuchten nicht haltbar. Die den "Begutachtungsleitfaden" herausgebenden Sozialdezernenten von Westfalen-Lippe bräuchten in ihren Städten und Gemeinden den daran Erkrankten den bisher gezahlten Mehrbedarfszuschlag nicht länger zu zahlen.

Bei anderen Krankheiten, etwa bestimmten entzündlich Darmerkrankungen, reiche „eine ausgewogene Mischkost unter Berücksichtigung, d.h. Weglassen, von unverträglichen Nahrungsmitteln“, wodurch „kein erhöhter Kostenaufwand“ entstehe. Solches gelte auch beispielsweise für Zuckerkranke, Übergewichtige und Personen mit hohen Werten von Blutfetten, deren Gesundheitszustand sich durch Weglassen von z.B. allzu zuckerhaltigen Lebensmitteln, weniger Wurst und Fleisch und durch eine Gewichtsabnahme deutlich verbessern könne. Mehrkosten seien mit dieser Ernährungsumstellung aber nicht verbunden, zumal nach neuesten medizinischen Erkenntnissen vom Kauf von häufig hohe Fett- und Energiewerte enthaltenden Diätprodukten eher abzuraten sei.

„Ausgewogene Mischkost“ nach dem Regelsatz

Diese Argumentationsmuster des "Begutachtungsleitfadens" griff auch die Stadtverwaltung Oldenburgs gerne auf, als es zu Beginn des Jahres 2003 vielen Betroffenen den Mehrbedarfszuschlag ersatzlos strich. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Herr Dr. Friedrichs, dozierte beispielsweise in Bescheiden an betroffene Zuckerkranke, dass diese insbesondere durch eine „ausgewogene Mischkost“ sowie „die Einhaltung eines normalen Körpergewichtes“ eine bestmögliche Einstellung ihres Blutzuckers erreichen und Probleme und Folgeerkrankungen vermeiden könnten. So genannte „'Diabetikerprodukte'“ seien dagegen nicht nur teurer, sondern auch aus medizinischen Gründen „wegen nachteiliger Auswirkungen“ nicht zu empfehlen. Dr. Friedrichs kommt zu der Schlussfolgerung: „Ein erhöhter Kostenaufwand kann bei diesen Empfehlungen nicht erkannt werden. Im Gegenteil ist durch die Begrenzung des Fleischkonsums eine Einsparung zu erwarten, da pflanzliche Nahrungsmittel in der Tendenz preisgünstiger als tierische sind.“

Nun ist schon die im „Begutachtungsleitfaden“ und bei Dr. Friedrichs mitschwingende Unterstellung, wonach der Sozialhilfe-Regelsatz eine ausgewogene Ernährung durch 'normale Lebensmittel' ermögliche, vorsichtig ausgedrückt unwissend und ignorant. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass in unteren Einkommensschichten sowohl die Häufigkeit von Erkrankungen als auch die Zahl der Sterbefälle in jüngeren Jahren höher ist als in den oberen sozialen Schichten [1]. Dies liegt u.a. daran, dass insbesondere Ernährungsbedingte Krankheiten mit vermindertem Einkommen zunehmen. Qualitativ höherwertige Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Milch sind etwa für Sozialhilfebeziehende kaum zu finanzieren. Insbesondere in der „Gummiwoche“ am Ende des Monats, wenn das Geld fast aufgebraucht ist, bleibt die Küche oft kalt und die Betroffenen leben dann z.B. von Tütensuppen und anderen Billigprodukten. Und der Druck der als belastend empfundenen Lebenssituation führt außerdem eher etwa zu vermehrtem Verbrauch von Süßigkeiten oder Alkohol, die z.B. zu Übergewicht führen können [2].

Gesundheitsgefahren durch Gutachten des Gesundheitsamts

Bei Diabetes handelt es sich außerdem um eine durch die Schädigung der Bauchspeicheldrüse verursachte Stoffwechselkrankheit. Dabei führt der Mangel an Insulin zu einer unzureichenden Blutzuckerverwertung und in der Folge auch zu Störungen des körpereigenen Fett-, des Eiweiß- und des Mineralstoffhaushalts. Diabetikerinnen sollten daher nach den Empfehlungen ärztlicher Fachleute eine kohlehydrat- und Fettreduzierte Diät zu sich nehmen, die vor allem aus magerem Fleisch, Fisch, Gemüse und Obst besteht. Diese Lebensmittel sind entgegen den Behauptungen des„Begutachtungsleitfadens“ und des Oldenburger Gesundheitsamtes aber sehr wohl teurer als das normale Supermarktangebot, wie jeder weiß, der nicht von einem Ärztegehalt leben kann. Medizinisch besonders empfohlen werden so z.B. kostenaufwändige Vollkornprodukte, da sie den Blutzuckergehalt des Blutes nur in schonendem Tempo ansteigen lassen und reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien sind. Und nur in qualitativ hochwertigen und dementsprechend teuren Lebensmitteln, vor allem frischem Obst und Gemüse, sind so genannte „sekundäre Pflanzenstoffe“ enthalten, die den typischen Folgeerkrankungen von Diabetes wie Durchblutungsstörungen der Beine, der Augen oder des Herzens vorbeugen können. Diese Lebensmittel sollten daher möglichst täglich auf dem Speisezettel der Betroffenen stehen. Wie das aber alles zu finanzieren ist, wenn man von der Sozialhilfe lebt, wird wohl das Geheimnis gefälliger Gutachten von sparsamen Bediensteten kommunaler Gesundheitsämter bleiben.

Eine Reihe von Kranken und Behinderten in Niedersachsen wollte jedenfalls die von ihren Sozialämtern verfügte Streichung der Krankenkostzulage nicht hinnehmen. Sie haben gegen die entsprechenden Kürzungsbescheide Widerspruch und dann auch Klage erhoben. Und mittlerweile zeichnet sich hier ein umfassender Erfolg für all diejenigen ab, die die Flinte nicht ins Korn geworfen, sondern mit juristischer Munition geladen haben.

Grün ist die Heide

So urteilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg beispielsweise, dass einem u.a. an erhöhten Blutfettwerten, Bluthochdruck, Neurodermitis und Übergewicht erkrankten Mann 35,79 Euro; als Krankenkostzulage zu bewilligen sei (Beschluss vom 14.11.2002; AZ: 4 ME 465/02). In einem anderen Fall entschied es, dass – entgegen der feinsinnigen Differenzierung im „Begutachtungsleitfaden“ - nicht nur akut AIDS-Kranken, sondern auch den HIV-Infizierten, bei denen AIDS noch nicht ausgebrochen ist, ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zustehe (OVG Lüneburg, Beschluss vom 7.10.2002 – AZ: 12 ME 622/02).

Zur Begründung führte das OVG dazu aus, dass es die Empfehlungen des „Deutschen Verein“ nach wie vor für den allein gültigen Maßstab dafür halte, ob bei Vorliegen einer ärztlich bestätigten Erkrankung nun ein Mehrbedarf gezahlt werden müsse oder nicht. Dies schon deshalb, weil diese Empfehlungen auf einer breiten Auswertung der wissenschaftlichen Veröffentlichungen beruhe, während die fachliche Grundlage der Darstellung im „Begutachtungsleitfaden“ unklar und zweifelhaft sei. Zudem sei der „Begutachtungsleitfaden“ nur von Ärzten geschrieben worden, die ernährungswissenschaftliche Gesichtspunkte völlig ausgeblendet hätten. Den gutachtenden Ärzten mangle es daher schlicht auch an der Fähigkeit, die finanzielle Mehrbelastung von Kranken und Behinderten angemessen einzuschätzen.

Klagen statt wehklagen!

Die oben wiedergegebene Begründung lässt sich auch auf allen anderen Fälle übertragen, in denen die Sozialämter Betroffenen einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung verweigern, obwohl die Empfehlungen des „Deutschen Vereins“ in diesem Fall eine Krankenkostzulage vorsehen – also z.B. auch auf Zuckerkranke und auf Personen mit Multipler Sklerose. Zudem folgen inzwischen auch untere Verwaltungsgerichte der Rechtssprechung des OVG Lüneburg, wie es das z.B. vor kurzem das Verwaltungsgericht Göttingen in seinem Urteil vom 24.6.2003 getan hat (AZ: 2 A 2192/02). Betroffene, denen das Sozialamt trotz dieser eindeutigen Rechtslage noch immer die notwendige Zulage verweigert, sollten sich dagegen deshalb unbedingt mit Widerspruch und Klage zur Wehr setzen. Die Erfolgsaussichten dafür sind günstig.

 

Anmerkungen:

[1] Vgl. dazu und zum folgenden z.B den Reader: Suppenküchen im Schlaraffenland. Armut und Ernährung von Familien und Kindern in Deutschland. Hannover: 2000; zu beziehen über einen der Herausgeber, die Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen e.V., Fenskeweg 2, 30165 Hannover.

[2] Wobei es symptomatisch für das gesellschaftliche Problembewusstsein ist, wenn sich dann gewiss gut bezahlte Forscherinnen wie vor kurzem geschehen u.a. an die Quer wenden und um Mithilfe bitten, weil sie Konzepte zur Gesundheitsberatung und zur autoritativen Anleitung der Betroffenen zu besseren Ernährungsverhalten entwickeln wollen. Die nahe liegende Idee, statt dessen insbesondere eine nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation für die Betroffenen zu fordern, ist dagegen auch in Kreisen von Wissenschaftlerinnen offenbar ein höchst exotischer Gedanke.

 

                      

 

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